Mythos: "Nur Schwer macht Schwer" Teil 1

In dieser Woche soll es um zwei Redewendungen gehen, die im Krafttraining häufig von Vertretern des harten und schweren Krafttrainings geäußert werden. Die erste Aussage beziehungsweise „Mythos“ „nur schwer macht schwer“ bezieht sich auf das Trainingsgewicht. Gemeint ist damit, dass Muskelaufbau am effektivsten funktioniert, wenn man mit einem sehr hohen Gewicht in einem niedrigen bis moderaten Wiederholungsbereich trainiert, wie es zum Beispiel bei Powerliftern oder Strongman der Fall ist. Auch viele Oldschool Bodybuilder wie Markus Rühl, Ronnie Coleman oder Dorian Yates waren Verfechter des schweren Trainings.

Was ist dran an dieser Aussage?

Wie bei vielen Mythen beziehungsweise kontrovers diskutierten Aussagen gibt es auch hier einen wahren Kern. Schweres Krafttraining ist definitiv sehr effektiv für Muskelhypertrophie und Kraftzuwächse. Der wichtigste Auslöser für Hypertrophie ist eine hohe mechanische Spannung der Muskelfasern und der Muskulatur. Die Muskelspannung nimmt mit steigendem Gewicht immer weiter zu. Zudem werden einige Anpassungen, die sowohl für hohe Maximalkraft als auch Hypertrophie relevant sind, nur durch hohe Gewichte trainiert. Dazu gehört zum Beispiel eine Anpassung der Sehnen und Knochendichte, die nur entsteht, wenn diese ausreichend belastet werden. Dennoch ist schweres Training nicht der einzige Weg Hypertrophie zu erzielen. Dafür müssen wir uns zunächst aber grob anschauen, wie Hypertrophie überhaupt entsteht.

Wie funktioniert Hypertrophie?

Hypertrophie beschreibt eine Querschnittsvergrößerung der Muskulatur, einfach gesprochen: sie wird dicker. Damit ein Muskel wächst, muss er einem Reiz ausgesetzt werden der stark genug ist. Nach Schoenfeld (1) gibt es drei primäre Mechanismen, die zu Hypertrophie führen.

1. Mechanische Spannung

2. Metabolischer Stress

3. Muskelschäden

Inzwischen weiß man, dass Muskelschäden eher eine Begleiterscheinung von hartem Training sind und für sich genommen keine Hypertrophie auslösen, daher werde ich in diesem Beitrag nicht weiter darauf eingehen. Bleiben also noch die mechanische Spannung und metabolischer Stress. Wie bereits erwähnt ist mechanische Spannung der mit Abstand wichtigste Faktor. Ein Muskel und die dazugehörigen Muskelfasern müssen durch ein externes Gewicht auf Spannung gebracht werden. Wie viele Muskelfasern bei einer Bewegung aktiviert werden, hängt dabei vom verwendeten Gewicht ab. Der menschliche Körper ist generell sehr effizient, er verwendet nur die Muskelfasern, die wirklich benötigt werden. So kann Kraft in einer Bewegung dosiert werden. Bei einem Bizepscurl mit maximalem Gewicht werden mehr Muskelfasern rekrutiert, als wenn du einen Stift anhebst. Wäre das nicht der Fall würdest du den Stift mit voller Kraft an die Decke werfen beim Versuch ihn anzuheben. Der entscheidende Punkt ist aber der, dass nur Muskelfasern, die in einer Bewegung rekrutiert werden auch einen Wachstumsreiz erfahren.Sagen wir der Einfachheit halber ein Muskel hat 100 Muskelfasern (in Wirklichkeit sind es mehrere Tausend). Verwendest du jetzt ein sehr leichtes Gewicht, werden in der Bewegung vielleicht 20 davon rekrutiert. Die anderen 80 werden nicht benötigt und erfahren dementsprechend auch keinen Wachstumsreiz. Verwendest du ein Gewicht, dass du aber nur zwei oder maximal dreimal bewegen kannst, muss dein Körper alle 100 Fasern dafür rekrutieren, alle davon erfahren einen Wachstumsreiz. Schweres Training hat also definitiv seine Berechtigung für Muskelaufbau.Eine vollständige Faserrekrutierung ist jedoch auch mit niedrigeren Gewichten möglich. Hier kommt der metabolische Stress, oder vielmehr die Muskelermüdung, ins Spiel. Muskelfasern können einer Belastung nur eine gewisse Zeit standhalten, bevor sie ermüden. Wenn jetzt die im oben genannten Beispiel arbeitenden 20 Muskelfasern ermüden, werden nach und nach neue dazugeschaltet. Auch diese ermüden mit der Zeit. Werden genug Wiederholungen ausgeführt, sind am Ende auch alle 100 Muskelfasern aktiv. Wichtige Voraussetzung ist, dass hierbei die Nähe des Muskelversagens erreicht werden muss (2). Studien zeigen, dass zwischen 5 und 30 Wiederholungen dieselben Muskelzuwächse erreicht werden können (3,4). Je höher die Wiederholungen sind, desto wichtiger ist es jedoch sich bis zum absoluten (!) Muskelversagen zu pushen, da sonst wichtige Muskelfasern nicht rekrutiert werden.

Fazit

Sich mit höheren Wiederholungszahlen so weit zu pushen, dass alle Muskelfasern rekrutiert werden erfordert viel Übung und eine gewisse Schmerztoleranz, da der metabolische Stress zu einem starken Brennen der Muskulatur führt. In den meisten Fällen ist es daher sinnvoll sich in einem moderaten Bereich von etwa 8-12 Wiederholungen zu bewegen. Auch wenn mechanische Spannung der primäre Antrieb von Hypertrophie ist, gilt „nur schwer macht schwer“ nicht immer. Auch mit niedrigeren Gewichten kann eine beträchtliche Muskelmasse aufgebaut werden, sofern das Muskelversagen erreicht wird. Einige Anpassungen werden jedoch nur mit schweren Sätzen unter 5 Wiederholungen erzielt. Dein Training sollte daher eine Mischung aus verschiedenen Wiederholungsbereichen enthalten, um sämtliche Anpassungen abzudecken.

Quellen:

  • Schoenfeld, B. (2010). The Mechanisms of Muscle Hypertrophy and their Application to Resistance Training. Journal of Strength and Conditioning Research. 24 (10)
  • Schoenfeld, B. (2013). Potential Mechanisms for a Role of Metabolic Stress in Hypertrophic Adaptations to Resistance Training. Sports Medicine. 43 (3)
  • Schoenfeld, B.; Peterson, M.; Ogborn, D.; Contreras, B.; Sonmez, G. (2015). Effects of Low- vs. High-Load Resistance Training on Muscle Strength and Hypertrophy in Well-Trained Men. Journal of Strength and Conditioning Research. 29 (10)
  • Schoenfeld, B.; Ratamess, N.; Peterson, M.; Contreras, B.; Sonmez, G.; Alvar, B. (2014). Effects of Different Volume-Equated Resistance Training Loading Strategies on Muscular Adaptations in Well-Trained Men. Journal of Strength and Conditioning Research. 28 (10)

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